Äintschi

Da war es wieder. Dieses sanfte Streicheln auf ihrer welken Haut, knapp oberhalb des Knies, sich langsam und behutsam, kaum spürbar und doch so erregend, an der Innenseite des Oberschenkel aufwärtsbewegend, mit leicht kreisenden Bewegungen, jeder Finger eine eigene Bewegung, die rauhe Handfläche mit leichtem, fordernden Druck: Geil. Jetzt war sie ganz wach und Frau. Sehnsüchtig erwartete sie den Zugriff auf die Muschi. Doch Herberts Hand erschlaffte und fiel auf die Matratze.

Äintschi schlug die Augen auf. Im morgendlichen Sonnenlicht, durch das halb heruntergelassene Rollo in das Schlafzimmer fallend, sah sie ihren Gönnergatten als schlaffes und restlos erschöpftes Wesen neben sich. Er hatte es tatsächlich im Halbschlaf schon geschafft und lag wieder in tiefstem Schlummer. Sein Problem mit dem vorzeitigen Samenerguss wurde immer mehr zum Problem für sie.

»Verdammt und verreckt!«

Äintschi schlug die Bettdecke zurück. Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte sieben Uhr dreißig. Zeit zum Aufstehen. Doch zunächst die Morgengymnastik. Diese bestand bei ihr aus fünf Minuten Zehenwackeln. Heute kam sie jedoch nur auf viereinhalb Minuten, dann konnte sie nicht mehr.

»Bin wohl schlecht im Training«, dachte sie. »Das kommt von zu wenig Sex!«

Diesen Vorwurf richtete sie laut an ihren schnarchenden Herbert. Der schnarchte zufrieden vor sich hin. Mit einem letzten abfälligen Blick auf ihn stand sie auf. Gähnend ging sie zum Wäscheschrank und nahm sich eine frische Unterhose. Eine mit »Loch 18«-Aufdruck vorn, wo die Muschi dahinter ist. Von den Dingern hatte sie noch einen ganzen Karton auf dem Dachboden. Restbestände vom Vorgängerverein des Golfclub Temperwiesen in Arglau. Dort waren Herbert und sie Mitglied. Kurz befühlte Äintschi das schwarz aufgedruckte Loch, genau mittig über der Spalte. Ja, das tat gut. Doch dafür war jetzt keine Zeit. Punkt acht Uhr würde die Limousine vor der Tür stehen, um sie ins Kanzleramt zu fahren. Nach einer schnellen Dusche kleidete sie sich an. Schnell verschlang sie eine Schale mit dem guten Bergsteigermüsli. Da klingelte es auch schon an der Haustür. Das war bestimmt Kevin, ihr Lieblingschauffeur, Lieblingsmasseur und Lieblingsbodyguard, ein ganz toller Typ. Das Hausmädchen Liane, die gerade vom Gassigehen mit den beiden Merkelterriern zurückgekommen war, öffnete die Tür.

»Guten Morgen Liane. Ist die Chefin schon fertig?«

Bevor Liane antworten konnte, kam Äintschi in Socken aus der Küche.

»Nur noch die Schuhe, Kevin. Ist was? Du siehst so gehetzt aus.«

»Na ja, der Helge Braun hat gesagt, ich soll ein wenig schneller fahren. Es wäre ganz gut, wenn du heute etwas früher ins Amt kommst.«

»Da bin ich aber gespannt, was der Helge damit meint.«

Äintschi schnappte sich ihre Handtasche vom Tischchen an der Garderobe. Liane bekam einen kleinen Klaps auf den kleinen Hintern.

»Du kümmerst dich nachher wieder ein wenig um Herbert, gell?«

Dann fuhren sie. Liane überließen sie ihrem elenden Schicksal.

Im Kanzleramt angekommen, informierte Äintschi sich über den geplanten Tagesablauf. Prüfend überflog sie den Outlook-Kalender. Das konnte doch nicht wahr sein! Was war denn hier wieder schiefgelaufen? Per Kurzwahl gab sie die Nummer ihres Staatsministers ins Smartphone ein.

»Helge! Was soll das? Warum steht im Speiseplan ‚Nudeln mit Tomatensauce? Langsam glaube ich, ihr macht das mit Absicht. Nach 2 Amtsperioden solltet ihr echt wissen, was mich zum Kotzen bringt. Außerdem habe ich für heute Mittag eine kleine Planänderung. Statt Mittagessen in der Kantine und anschließendem Spaziergang im Botanischen Garten mit der neuen Leiterin. Ich glaube, ich muss dringend wieder eine Massage bekommen. Ist der Müller-Wohlfahrt noch in Berlin? Der wäre mir gerade recht dafür. Wenn nicht, ich probiere auch gern was Neues aus!«

Während Ihr Minister antwortete, nippte sie an einem Glas Wasser.

»Nein!«

Prustend und hustend spie sie das Wasser wieder aus.

»Das will ich schriftlich. Komm sofort her!«

Mit hochrotem Kopf lief sie ins Badezimmer und überprüfte ihr Aussehen im Spiegel. Durch die heftige Hustenattacke hatte sich eine Schleife in ihrem blondgelockten Haar gelöst und musste neu geknotet werden. Ansonsten war sie sehr zufrieden mir ihrem Äußeren. Sie zog die Lippen zurück, fletschte die Zähne.

»Rrrrh, ich bin eine wilde Tigerin!«

So richtig überzeugend fand sie ihr Spiegelbild nicht. Aber es half. Seit sie dieses Mantra mindestens 5-mal täglich ausübte, waren ihre direkten Untergebenen viel demütiger. Nur das Volk wollte von ihrer neuen Stärke nichts wissen und probte den Aufstand. Nur schlappe 28 % bei der letzten Landtagswahl in Sachsen. Die AfD fast genausoviel, 23 %. Der Rest hatte sie noch nie interessiert.

Sie verspürte eine gelinden Darmdruck und setzte sich, in staatslenkende Gedanken versunken, auf die Kloschüssel mit den lustigen Delfinen auf der Klobrille, die sich in blauem Lagunenwasser dreidimensional tummelten. Die waren ihr im Moment egal. Sie konnte sie sowieso nicht sehen, weil ihr üppiger Hintern den Ozean der Delfine in den Nachtmodus versetzt hatte. Ihr Grübeln über die schwere Staatskunst wechselte seltsamerweise zum Nachdenken über den Ozean.

»Wie groß, mächtig und ganz schön nass doch der Atlantische Ozean ist!«

Sie träumte sich in ein Flugzeug, unter sich das weite Meer, sie verlor sich fast in ihrem Traum, da fiel ihr das Ziel des Fluges ein: Washington, D.C.

»Ach du verbibschte Molekularstruktur!«

Das war ihr Lieblingsfluch aus alten Studentenzeiten, der noch nicht den Weg in die Boulevardpresse gefunden hatte. Da war sie stolz drauf. Stolz war sie auch auf ihre Hämorrhoiden, von denen nur sie und der Müller-Wohlfahrt wussten. Und Herbert, ihr Lover. Nein, sie war nicht stolz auf die Hämorrhoiden, sondern dass ihre Existenz ihr Geheimnis waren. Wie so manches andere, doch lassen wir uns überraschen.

Jetzt sprang sie auf und tupfte sich die feuchte Muschi mit hochwertigem Klopapier ab, zog den Loch-18-Slip wieder über das Hüftfett und stopfte ihre Hüftpolster in die Hose. Schon war sie wieder in ihrem Büro, wo der umtriebige Helge Braun, ihr 1. Staatssekretär, schon ungeduldig wartete. Er räkelte sich in einer hellen Ledergarnitur, schon am frühen Morgen mit einer Flasche Bier in der Hand. Als Äintschi in den Raum kam, sprang er hastig auf und knallte die Flasche auf den Tisch.

»Aintschi! Da bist du ja endlich! Weißt du schon, was passiert ist?«

»Nöö. Aber du wirst es mir bestimmt gleich sagen. Darf ich raten? Ist der Trump schon einem Herzanfall oder einem Attentat erlegen? Oder willst du mir schon mal deinen Nachfolger vorstellen, der hoffentlich nicht so ein Saufloch ist?«

»Ach komm, Äintschie. Du weißt, das ist Medizin für mich. Ist auch erst die Zweite mit Alk. Ich habe einen Kaffee mit Schuss bestellt, willst du auch einen?«

»Lass mal. Sag lieber was los ist. Ich bin doch keine Ratetante.«

»Liegst aber oft richtig mit deinen Vermutungen. Also, der Trump …«

»Ich wusste es. Ich wusste es!«

Äintschi ließ sich in das weiche Leder der Couchgarnitur fallen. Es gab ein verdächtiges Geräusch.

»Puh, hier riecht es komisch!«

Helge wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht.

»Was hast du gegessen? Na, besser hier, als im Bundestag!«

Er ging hinter die Hausbar und drückte ein paar Knöpfe an der Holzvertäfelung. Die Klimaanlage schaltete auf maximale Luftumwälzung.

»Verdammter Grünkohl!« schimpfte Äintschi. »Hoffentlich war es das jetzt.«

»Äintschi, wir leben in Zeiten, in denen jedes Lebenszeichen positiv ist.«

Helge wankte wieder zurück.

«Ah, Philosoph! Helges Sprüche Alk. 1, Vers 2, ja?«

»Nein, im Ernst. Bleib sitzen. Der Trump ruft in 10 Minuten an und will dir was sagen. Das ist das eine. Das andere ist: Wir wissen was. Der BND hat nach deiner Bespitzelung durch die NSA kräftig investiert. In Defensiv- als auch Offensivsysteme. Wenn du willst, kannst du einen Bericht in allen, ich sagte: allen! Einzelheiten bekommen, was der Trump in den letzten zwei Wochen gemacht und nicht gemacht hat.«

»Was will er, Helge?«

Äintschi war der Redefluss des Sekretärs zuwider.

»Spuck es endlich aus!«

»Erstens: 300 Milliarden Euro dafür, dass er uns in Ruhe lässt. Zweitens: Aufnahme aller Amerikaner, die er für unpatriotisch hält, das sind zu Anfang erstmal alle Besitzer eines deutschen Autos, er will sich noch andere Kriterien überlegen. Die Autos will er aber behalten und amerikanische daraus machen. Drittens: du sollst nächste Woche zu ihm kommen. Er meint Staatsbesuch, doch wir wissen durch den BND, dass er nicht vorhat, dich wieder abfliegen zu lassen. Er braucht eine Geisel, wahrscheinlich noch andere, wir sind noch daran, es herauszufinden. Viertens: Die mexikanische Mauer: Wir sollen den Mexikanern beim Bau helfen. Fünftens: sofortiges Einreiseverbot für alle Nichtamerikaner. Sechstens: Rockpflicht für Frauen, Kettenpflicht für Schwarze und anderes Gesocks, ach, die Liste ist noch lang. Für uns ist aber erstmal wichtig, wie wir mit a: der Geldforderung, b: den missliebigen Unpatrioten, c: deiner drohenden Geiselhaft verfahren.«

Helge nahm einen kräftigen Schluck aus der Pulle.

»Gib mir auch ein Bier. Und einen Schnaps.«

Äintschi klang schwach und verzweifelt.

»Nein, Äintschi! Du musst jetzt nüchtern bleiben! Und stark sein!«

«Du Arsch! Meinst du, es fällt mir leicht, den ganzen Tag von Vollidioten umgeben zu sein und wenn ich nach Hause komme ist da auch noch einer! Stark sein, stark sein! Ich kann bald nicht mehr, ich bin mit den Nerven völlig runter. Wenn jetzt noch der Seehofer anrufen tät, ich würde ihm empfehlen Selbstmord zu begehen, bevor ich die GSG9 auf ihn hetze. Ihr kennt mich alle überhaupt nicht. So und nun lass mich in Ruhe! Ich werde mit dem Trump schon klarkommen!«

Achselzuckend wandte sich Helge ab und verließ den Raum. Äintschi erhob sich müde und ging hinter die Hausbar. Aus einer Johnny Walker nahm sie einen kräftigen Schluck direkt aus der Pulle.

»Wo ist denn der Puschkin-Wodka?«

Auch aus dieser Flasche noch einen Zug. Für ein altes Ossimädel war das wie ein Joint für einen schlappen westlichen Öko-Hippi. Noch einen. Sie setzte sich ans Fenster, legte das Amtstelefon auf den Beistelltisch und schaute hinunter auf ihr heiß geliebtes Berlin.

Das Telefon klingelte. Äintschi drückte den Rücken gerade und nahm ab.

»Ja?«

»Frau Merkel, ein Gespräch aus USA. Herr Trump.«

»Stellen Sie durch!«

Gleich darauf hörte sie Trump durch den Lautsprecher des Telefons:

»… fuckin‘ mouth, babe, fuck harder babe, I’m comming soon!«

Äintschi hörte interessiert zu. Lässt der sich einen blasen! Während der Arbeit! Dass der sich das traute! Sie holte tief Luft und brüllte in das Telefon:

»Mr. President, do you hear me? Here ist Germany. Here ist Bundeskanzlerin Merkel! Help! Help! Help Me! The Russians are here!«

Den Telefonhörer knallte sie auf den Tisch und machte Maschinengewehrsalvengeräusche: »Rattatatatata!«

Sie stöhnte ein nach Abkratzen klingendes: »Uhhhhhh!!« und drückte schnell die Unterbrechertaste.

»So, du Obermacker. Jetzt kannst du dir aber mal so richtig Sorgen um mich machen!«

Äintschi war sehr stolz auf ihre Show. Schlagartig besserte sich ihre Laune.

»Hach, das macht ja richtig Spaß, so wunderbar spontan zu sein!«

Fröhlich öffnete sie die Flurtür und stellte sich neben ihren Lieblingsbodyguard.

»Kevin, holen Sie doch bitte mal den Herrn Braun hierher. Sie finden ihn bestimmt in der Kantine beim saufen.«

Kevin blieb jedoch stehen. Für sowas hatte er seine Leute. Mit drei kurzen Handbewegungen signalisierte er Frank am anderen Ende des Flures. Der hob den Daumen und verschwand.

»Ist in Arbeit, Frau Bundeskanzlerin. Ich kann hier nicht weg, das wissen Sie.«

»Habe ich gerade mal nicht dran gedacht!« sagte Äintschi spitzbübisch und wiegte sich in den Hüften. Schmunzelnd und mit lustig blitzenden Augen schaute sie hoch in das harte, kantige Gesicht ihres hochdotierten Beschützers.

»Kommen Sie doch rein, Kevin. Ich denke, es ist noch Kaffee da. In meinem Büro können sie bestimmt noch besser auf mich aufpassen.«

Die Kanzlerin fasste ihn am Arm und zog ihn in den Raum. Leicht widerstrebend ließ er sich mitziehen. Der Job war manchmal nicht leicht.

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