Laura war sauer.
»So ein blöder Arsch! Hoffentlich kriegt er den Schwanz abgebissen!«
Sie stürmte in das Büro, schmiss die Tür hinter sich heftig ins Schloss und warf sich in ihren Schreibtischstuhl. Mit hochrotem Kopf trommelte sie mit den Fäusten auf die Schreibtischplatte.
Bettina starrte neidisch auf Lauras Oberweite, die sich mit den fliegenden Armen rhythmisch auf und ab bewegte. Sie selbst war nicht so üppig gebaut, ihr Busen war fast keiner und viel Arsch hatte sie auch nicht in der Hose. Aber wenigstens volle, sinnliche Lippen in einem hübschen Gesicht und eine rauchige, tief klingende erotische Stimme. Wie Laura.
»Ich bin wie sie, nur ohne Titten und Arsch«, dachte sie und stellte sich wieder einmal vor, wie es wäre, wenn sie die üppigen Brüste von Laura streicheln würde und …
»Sag‘ mal, hörst du mir überhaupt zu?«
Ein Bleistift flog über die Schreibtische, traf mit der Spitze Bettinas Brust und fiel zu Boden.
»Aua! Hast du sie noch alle! Das hätte auch ins Auge gehen können!«
Wütend griff Bettina ihr Diensthandy und warf es Laura an den Kopf. Die versuchte noch auszuweichen, doch Bettina war einfach zu gut im Werfen. Schon immer gewesen. Jedes Jahr Erste bei den Bundesjugendspielen. Keine Titten, kein Arsch, alles nur strammes Muskelfleisch, gute Koordination und Reaktion. Daher kippte Laura leise seufzend aus dem Sessel, als das Handy sie voll an der Schläfe erwischte. Gerade in diesem Moment, als Laura auf den Boden rutschte und Bettina aufsprang, um sich den Schaden anzugucken, ging die Bürotür auf. Manni Kempf stürmte herein.
»Mädels! Habt ihr schon gehört? Der Ratzevogel will … was ist denn hier passiert? Laura?«
Doch da war Bettina schon an ihm vorbei um den Schreibtisch gestürmt und beugte sich über ihre Kollegin.
»Hol‹ mal den Verbandkasten aus dem Schrank im Flur!«
Bettina schob vorsichtig LaurasLockenpracht zur Seite und suchte nach der Kopfverletzung. Es war er nicht mal ein Kratzer zu sehen.
»Gutes Outdoorhandy mit Gummipuffer, danke schön«, murmelte Bettina und streichelte Laura an der verletzten Stelle, die sich leicht bläulich verfärbt hatte. Da bemerkte sie, dass Manni immer noch in der Tür stand. Hatte der jetzt die ganze Zeit auf ihren Hintern geglotzt?
»Manni, du Spanni, flitz‹ endlich los!«
Manni erwachte aus seiner Starre, machte den offenen Mund zu und lief raus. Im Flur vergewisserte er sich schnell, dass niemand zu sehen war, dann fuhr seine Hand in die Hose und rückte den halb erigierten Penis zurecht.
»Klasse, klasse!« flüsterte er heiser. »Von diesem Arsch werde ich heute Nacht träumen!«
Vor seinem geistigen Auge war immer noch der knackige kleine Frauenhintern und – verdammt verschärfend – eine Handbreit nackte Haut über dem Hosenbund, weil Bettinas Bluse sich beim Bücken über die bewusslose Laura extrem nach oben geschoben hatte.
Manni riss die Schranktür auf. Gähnende Leere. Nur ein handgeschriebenes DIN A4-Blatt an der Rückwand des mittleren Regals. Da stand in der krakeligen Schrift des Abteilungsleiters Ratzevogel: »Der Verbandskasten befindet sich nunmehr im Treppenhaus!«
Manni schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. Klar, im Zwischenpodest zum zweiten Stock! Schon seit zwei Wochen mindestens. Schwungvoll hastete Manni die Treppe hinunter, verschätzte sich, liebesblind wie er war, und vertrat sich auf den letzten zwei Stufen den Fuß. Plumps, da lag er. Ein stechender Schmerz fuhr durch seinen linken Fußknöchel. So viel Schmerz konnte er nicht ertragen, er wollte schreien, doch schnell übermannte ihn die Ohnmacht.
Erst am nächsten Tag wurde er von der Putzkolonne gefunden. Da war er schon lange aus der Ohnmacht erwacht, war aber total bewegungsunfähig, hatte Hunger auf Gehacktesbrötchen mit Zwiebeln, Durst auf Bier und hatte zweimal in die Hose gemacht.
***
Wie konnte es geschehen, dass Manni so lange seinem Elend überlassen blieb? Nun, die drei Protagonisten waren die letzten Angestellten im Bürogebäude an diesem Abend. Laura und Bettina wunderten sich zwar, weil Manni nicht wieder auftauchte, aber nur sehr kurz. Als Laura wieder zu sich kam, verliebte sie sich sofort in Bettina und Bettina fand Laura sowieso schon immer toll. Da hatten sie andere Sorgen, eigentlich keine mehr und sind schnell, ich glaube zu Laura in die Wohnung, um Matherätsel zu lösen und so. Sie benutzen den Fahrstuhl, sonst wären sie ja über Manni gestolpert und dann hätten sich die Ereignisse des Abends zumindest später abgespielt. Wegen sich kümmern müssen um den Manni und warten, bis er im Krankenhaus ist.
Wird Manni wieder gesund? Kriegt er vielleicht Depressionen und fängt eine Drogenabhängigkeit an?
War es Sommer oder Winter oder spielt das überhaupt eine Rolle? Könnte sein. Im Sommer ist es abends länger hell, da hätten die beiden Turteltäubchen noch einen schönen Spaziergang in den Sonnenuntergang machen können, ohne gleich zu frieren.
Hat Laura eine Briefmarkensammlung?
Kann Bettinas Handy noch telefonieren? Das ist eine weniger wichtige Frage.
Adoptieren die zwei später mal Kinder oder kriegen sie sich wegen irgendwas nach zwei Wochen wieder in die Haare und diesmal passiert am Ende ein Mord? Das wäre ja ganz schlimm.
Warum eigentlich kamen die Gebäudereiniger erst am nächsten Tag? Hatten sie einen Platten oder einfach nur schlechte Terminplanung?
Mit was haben sich Laura und Bettina, meinetwegen auch Manni, den lieben langen Tag im Büro beschäftigt?
Das sind so Fragen. Gibt noch mehr.
Irgendwann muss aber Schluss sein.
Jetzt.